Claus Tröger |
Blackbird | von David Harrower
| LANDESTHEATER NIEDERBAYERN (Landshut, DE) – Saison 2011/2012
| Premiere: 10. März 2012 | Regie & Ausstattung: Claus Tröger | DarstellerInnen: Ines Schmidt und Olaf Schürmann
LIEBESBEZIEHUNG ZU 12-JÄHRIGER
Ray und Una hatten vor vielen Jahren eine kurze, aber heftige Liebesbeziehung – wenn man es denn so nennen will. Denn Ray war erwachsen und Una ein 12-jähriges Kind. Jetzt sind 19 Jahre vergangen, Ray hat eine Haftstrafe verbüßt und unter neuem Namen ein neues Leben begonnen – doch dann taucht Una wieder auf. Aus dem schwärmerischen Mädchen von einst ist eine erwachsene Frau geworden, die ihn an seinem Arbeitsplatz zur Rede stellt – irgendwo im schmutzigen Abstellraum seiner Firma möchte sie Antwort haben auf das, was damals passiert ist. TREFFEN NACH 20 JAHREN „Bei den ersten Leseproben hat sich sehr schnell herausgestellt, dass sie eigentlich sofort wieder eine Vertrautheit entwickelt haben. Es gab sofort wieder Ermahnungen, Zuwendungen der Frau an ihn, wo man denkt: Warum ist nach 20 Jahren diese Nähe wieder da?“ «Ich weiß nichts über dich, ich weiß nichts von dir - außer, dass du mich missbraucht hast. Stimmt doch!», schreit Una im Stück. Stimmt – und trotzdem ist es nicht so ganz eindeutig. „Es wäre ja ganz langweilig, einen moralischen Standpunkt zu beziehen. Dass er gefehlt hat, dass sexuelle Handlungen mit Minderjährigen strafbar, schädlich, ein Verbrechen und daher zu bestrafen sind, ist ganz klar. Es wäre vollkommen langweilig, jetzt auf Opfer und Täter zu fokussieren. Wichtig sind die Grauzonen menschlicher Beziehungen.“
PRESSE
Landshuter Zeitung (Christian Muggenthaler, 13.03.2012): « Missbrauchs-Stück „Blackbird“ am Landestheater Niederbayern: (...) Zunächst einmal scheint die Anordnung in David Harrowers Stück „Blackbird“ klar: Es geht um das Treffen zwischen dem erwachsen gewordenen Opfer eines sexuellen Missbrauchs und dem einstmaligen Täter, dem sehr viel älteren Ray, der sich an der damals zwölfjährigen Una vergangen hat. Naturgemäß sind da die Rollen klar verteilt – zunächst einmal. Aber das Bemerkenswerte an Harrowers Stück ist, dass er, je länger das Gespräch der beiden dauert, desto mehr die Menschen hinter diesen Rollen durchscheinen lässt. Und die Geschichte einer ganz und gar unmöglichen Zuneigung erzählt. Selbst hier, auf diesem äußerst heiklen Terrain, ist plumpes Schwarz-Weiß-Denken das, was es immer ist: zu einfach. Regisseur Claus Tröger unterstützt diese Botschaft des Stücks, indem er die zwei Menschen herausmodelliert aus ihren Umständen und ihr Unglück vor Augen führt, ohne jemals einen der Protagonisten bloßzustellen oder ihr Handeln moralisch bewerten zu wollen. In ihrem Gespräch, das ständig neue Volten schlägt, in Zorn und Vorwürfe ausbricht, aber immer wieder auch Möglichkeiten gegenseitigen Verständnisses bietet, scheint allmählich eine Geschichte durch, die viel zu komplex und zu kompliziert ist, als dass sie ein Gerichtsverfahren oder eine Medienkampagne je abbilden könnten. Genau für so etwas ist das Theater da. Ines Schmiedt und Olaf Schürmann sind gut an diesem Abend, sind sehr gut und lassen Verständnis wachsen, lassen ahnen, was wirklich vor sich ging. (...) » Straubinger Tagblatt (Wolf Stoecker, 29.03.2012): « „Erwachsene lügen“ – Landestheater Niederbayern überzeugte mit „Blackbird“: Harrower vermeidet jedes Urteil, jede Verurteilung der beiden und wirft Fragen auf: Wie geht die Gesellschaft mit der Liebe und der Sexualität eines Kindes um? Welche Verantwortung hat der Erwachsene? Wo ist die Grenzlinie zwischen Kinderschutz und Selbstbestimmungsrecht? Dass dieser Theaterabend zu einem beeindruckenden wurde, dass diese Fragen ernst genommen wurden und weiterwirkten, ist der Regie Claus Trögers und den zwei Schauspielern zu verdanken, die diese 90 Minuten trugen. Ines Schmiedt spielt die Frau, die ihre verlorene Kindheit verstehen will, so überzeugend, so ergreifend wahr, dass man ihr jedes Wort, jede Geste glaubt. „Erwachsene lügen“, ist die bittere Erfahrung, die sie nach seiner Verurteilung in bittere Einsamkeit stürzt. Olaf Schürmanns Ray überzeugt durch sein Stammeln und durch seine Verschlossenheit. Er wehrt sich lange gegen die Wahrheitssuche, bis es dann endlich aus ihm heraussprudelt, was er dachte und fühlte: „Ich wusste überhaupt nicht, was mit mir geschah.“ Am Ende des Stücks kommt es zu einer zärtlichen Umarmung, wobei es offenbleibt, wie es weitergeht. Claus Tröger vermeidet jeden Theatereffekt, lässt die Schauspieler ihr ganzes Können ausspielen und vertraut auf das gesprochene Wort. Am Ende bleibt die Kritik an allen, die nicht bereit sind zu verstehen, weil die Bilder im Kopf stärker sind, als der Wunsch nach Erkenntnis. » |
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