Claus Tröger

Claus Tröger: BAUERN STERBEN

Bauern sterben | von Franz Xaver Kroetz


| STADTTHEATER BRUNECK (Südtirol/IT) – Saison 2003/04
| Premiere: 29. Februar 2004

| Dramaturgie: Christian Martin Fuchs, Regie: Claus Tröger, Bühne: Klaus Gasperi,
  Kontrabass: Herlinde Delazer, Cello: Nathan Chizzali
| DarstellerInnen: Oliver Pezzi, Irmgard Maria Sohm, Lukas Lobis, Brigitte Knapp,
  Peter Niederegger, Niko Tschopp


Claus Tröger: BAUERN STERBEN
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PRESSE

Südtiroler Wochenmagazin ff
(Christine Helfer, 04.03.2004):


« BAUERNTOD — Radikales Theater beim
Wort genommen im Stadttheater Bruneck: „Bauern sterben“ von Franz Xaver Kroetz


Nach einem um Verständigung heischenden Vorspiel von Nikolaus Tschopp war der Auftakt von „Bauern sterben“ eine Wucht: unheilvolle Streichertöne (Cello und Kontrabass von Nathan Chizzali und Herlinde Delazer) begleiteten den Auftritt der fünf Bauersleute.

Oliver Pezzi als Vater trat den Zuschauern in der ersten Reihe fast ins Gesicht und nur mit Mühe entkam man seinen Speichelspritzern und – später dann – dem, was er aus seinen Beulen unterm Hemd hervordrückte. Lukas Lobis als Sohn hält die Mistgabel und gibt dem Patriarchen Widerworte. Er wüsste, wie es geht, das gute Leben auf dem Land, will sich nicht unterjochen lassen von Arbeit und väterlicher Autorität, er will die Bullenzucht, den Mais, das Telefon, die Heizung, "weil es schön ist, weil es sehr schön ist, Votar!". Vom Dialekt verfällt er in die Hochsprache, verteidigt so einen Traum, der nicht auf seinem Mist gewachsen ist, weil ihn alle jungen Bauernsöhne am Land so träumen.

Der abrupte Wechsel der Sprachebenen kommt im Stück immer wieder vor und hat mehr mit den Figuren und ihren Behauptungen zu tun als damit, ob man am Land oder in der Stadt ist. Weil daheim alles ein Graus ist, der Küchenboden nass vom kranken Blut des Vaters, die Tochter (Brigitte Knapp) sich andauernd den Mund wischt vor lauter Ekel und die Bäuerin (Irmgard Sohm) nur wegschaut, flüchten die beiden Jungen auf dem Traktor in die Stadt. Die Begegnungen mit abstrusen Gestalten (Peter Niederegger, Niko Tschopp) sollte sie vorwarnen, sie aber sind wild entschlossen, das Paradies zu finden.

Franz Xaver Kroetz hat „Bauern sterben“ 1985 in München uraufgeführt, in einer Zeit, als er längst Erfolge einfuhr an Deutschlands Bühnen: als unbequemer Zeitgenosse mit seiner anprangernden Rhetorik, seinen nüchternen Zustandsbeschreibungen meist ohne Ausweg.

In „Bauern sterben“, das, wie Kroetz angibt, irgendwo zwischen Landshut und Kalkutta spielt, geht es um das Scheitern der Landflüchtigen, hier beschrieben an Sohn und Tochter, Brüderchen und Schwesterchen, denen die Stadt eine Verheißung ist. Aber dort regiert ein Herrgott, den die beiden nicht kennen – dies ahnend haben sie ihren eigenen dabei: ein riesiger dunkelroter Torso, der für die Heimat steht, an der man sich nicht versündigen darf. An ihm will die Schwester ihre Leibesschuld abgelten, für ihn lässt der Bruder sein Blut in eine Schüssel tropfen. Brigitte Knapp und Lukas Lobis spielen sich grandios in einen Exzess hinein und setzen so der ganzen Szenerie aus Blut und Boden (Bühne und Licht: Klaus und Jan Gasperi) noch eins drauf: Ums Überleben kämpfend beschwören sie mystische Bilder herauf, und das Stück verlässt endgültig die reale Ebene.

Regisseur Claus Tröger hat hier ins Volle gegriffen, hat zusammen mit dem Salzburger Dramaturgen Christian Fuchs den Text entschlackt, dann Spiel und Szenerie so weit getrieben, dass sich aus diesem besonderen Theaterbezug ein allgemeiner archetypischer loslöst. Oder auch: so ein Kreuz, das Leben! »

Fotos: Stadttheater Bruneck
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